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Warum der Unilever-Rauswurf bei Kaufland eine Chance für den deutschen Lebensmittelhandel ist

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Das neue Jahr beginnt mit einem der interessantesten Experimente, die es im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen Jahren gegeben hat. Zum 31. Dezember 2018 hat Kaufland die Geschäftsbeziehung mit dem Konsumgüterhersteller Unilever beendet. Das Aus ist der vorläufige Höhepunkt eines seit Monaten andauernden Streits und hat zur Folge, dass Unilever-Produkte bis auf Weiteres nicht mehr bei Kaufland erhältlich sein werden.

Anders als beim Zwist zwischen Edeka und Nestlé sind diesmal nicht nur einige wenige Artikel betroffen, sondern ein ganzer Schwung bekannter Marken: Axe, Ben & Jerry’s, Coral, Domestos, Dove, Duschdas, Knorr, Lipton, Mondamin, Pfanni, Rexona, Signal, Viss.

Genau dieser Umfang macht die Kraftprobe zu einer Chance – nicht nur für Kaufland, sondern auch für kleinere Hersteller und letztlich für die Kunden – einer, die allerdings ungenutzt verstreichen könnte.

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Der Konflikt

Kaufland und Unilever streiten bereits seit dem zurückliegenden Frühjahr. Grund sind Preiserhöhungen, die der Hersteller gegenüber dem Handelskonzern durchsetzen wollte – und die dieser nicht akzeptieren will, weil sie „zu erheblichen Erhöhungen der Verkaufspreise geführt [hätten], die über marktübliche Preise hinausgegangen wären“, zitiert die „Lebensmittel Zeitung“ aus einer Kaufland-Mitteilung (Paywall). In der Folge wären Unilever-Produkte bei Kaufland wahrscheinlich teurer gewesen als bei der Konkurrenz. Das kam für Kaufland nicht in Frage, um sein Preis-Image als Großflächendiscounter nicht zu gefährden.

Unilever stellt den Konflikt anders dar. Gegenüber dem „Handelsblatt“ (Paywall) hatte Deutschlandchef Ulrich Gritzuhn im Herbst erklärt, Kaufland reagiere überzogen. Preiserhöhungen seien nur für einen Teil der Produkte gefordert worden, Kaufland habe in der Folge aber zehnmal so viele ausgelistet.

Der tatsächliche Konflikt reicht tiefer: Kaufland habe kontinuierlich Konditionenverbesserungen von Unilever gefordert, schreibt die „LZ“, und damit die Marge des Konzerns strapaziert – obwohl die Zeiten des starken Umsatzwachstums, die als Rechtfertigung dienten, längst vorbei sind.

Händler wie Edeka und Rewe dürften für Unilever in Deutschland eine sehr viel wichtigere Rolle für den Umsatz spielen. Auf ganz Europa bezogen sieht das schon wieder anders aus. Indem Kaufland den Bestellstopp für alle europäischen Märkte durchzieht, versucht der Händler den Druck zu erhöhen.

Die Konsequenz

Schon vor Monaten hat Kaufland damit begonnen, einzelne Unilever-Marken nicht mehr nachzubestellen. Dadurch entstanden erste Lücken im Regal. Zum Start des neuen Jahres ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Einzelne vom Rausschmiss betroffene Marken (z.B. Fix-Produkte von Knorr, Lipton-Eistee, Dove-Pflegeprodukte) sind – in den von mir angeschauten Läden – weiterhin in größerem Umfang verfügbar; viele wurden aber im Preis herabgesetzt und sind am Regel als „Billiger!“ gekennzeichnet. Offensichtlich versucht Kaufland, Lagerbestände loszuwerden.

In manchen Sortimenten scheint das bereits gelungen zu sein. Axe und Duschdas fehlen im Duschgel-Regal schon komplett, stattdessen stehen als „Neu“ beworbene Artikel im Regal. Zum Teil wurden auch einfach zusätzliche Sorten bereits gelisteter Marken aufgenommen.

Pfanni ist im Laufe der Wochen an die Kartoffelpulver-Regalränder gerückt; stattdessen kommt jetzt Konkurrent Maggi zum Zug. Und in Berlin darf sich der ostdeutsche Hersteller Werner mit seinem Produktsortiment so stark ausbreiten, wie sich das kleinere Hersteller sonst niemals leisten könnten.

Das Risiko

Mal ehrlich: Im Fünf-Meter-Zahnpasta-Regal muss man schon sehr genau hinsehen, um zu merken, dass Signal fehlt.

Auch ein Leben ohne Duschdas ist möglich. (Bei Ben & Jerry’s wird’s schon schwerer. )

Für Kaufland ist der Sortimentsumbau aber zunächst einmal ein Risiko, auch wenn man in der Zentrale ätzt, aus Marktanalysen zu wissen, „dass Unilever-Produkte eine hohe Austauschbarkeit aufweisen“ (zitiert vom „Handelsblatt“). Das ist – wenn überhaupt – nur die halbe Wahrheit; sonst hätte das ja auch schon vor der Preiserhöhung durch Unilever zu Konsequenzen führen müssen, sofern der Handelskonzern sein Sortiment im Griff hat.

Fakt ist aber auch: Kaufland hatte seit dem Herbst Zeit, um zu testen, was passiert, wenn bekannte Produkte plötzlich nicht mehr im Regal stehen. Kaufen Kunden, die sich daran gewöhnt haben, Alternativen? Oder wechseln sie den Laden?

In vielen Fällen scheint die Sehnsucht nach Pfanni und Co. nicht so groß gewesen zu sein, dass es Kaufland es nicht wagen wollte, den Konflikt mit Unilever auf die Spitze zu treiben. Wie stark Kundengewohnheiten aber tatsächlich ausgeprägt sind und wie groß die Verbundenheit zu einzelnen Marken wirklich ist, wird sich erst mittelfristig zeigen. (Zumal Wettbewerber die Situation ausnutzen könnten, indem sie Unilever-Produkte zum Aktionspreis anbieten, um Kaufland-Stammkunden zu sich zu locken.)

Das Risiko für Unilever liegt auf der Hand: Sollten die Auswirkungen der Auslistung für Kaufland überschaubar bleiben, verschlechtert sich die künftige Verhandlungsposition nicht nur für den niederländisch-britischen Konzern – sondern vermutlich auch für andere Hersteller, die ähnliche Konsequenzen fürchten müssten.

Die Chance

Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel hat sich zuletzt immer stärker konzentriert, nicht nur auf Händlerseite. Es mag zwar immer mehr Märkte geben, in denen Kunden Lebensmittel einkaufen können; in vielen stehen aber doch immer bloß dieselben Markenprodukte im Regal.

Dass Aldi seit 2015 mit der Einlistung neuer Marken zusätzlich Druck macht, hat nicht geholfen; und mit dem Ende von Kaiser’s Tengelmann sind auch die Absatzalternativen für kleinere Hersteller weiter geschrumpft. Große Handelsketten und große Handelskonzerne machen zunehmend unter sich aus, was Kunden im Laden einkaufen können.

Diese Ordnung wird durch den Streit von Kaufland mit Unilever empfindlich gestört – und genau darin liegt die Chance.

Der Konflikt zwingt Kaufland zum Handeln: Der Platz im Regal muss mit Alternativen gefüllt werden. Das geht zum einen mit Eigenmarken. Dass Kaufland zuletzt stark an der eigenen Markenarchitektur gearbeitet hat (siehe Supermarktblog), sieht allerdings nur auf den ersten Blick wie ein Vorteil aus. Denn die von der Unilever-Auslistung betroffenen Sortimente standen zuletzt nicht unbedingt im Fokus der Kompetenzausweitung:

  • Die im Mai eingeführte Drogerie-Eigenmarke Bevola eignet sich allenfalls bedingt als Ersatz für alle, die bislang Dove gewöhnt waren und nicht zur Discount-Marke wollen;
  • und die Einführung seiner neuen Mittelmarke „K Favourites“ konzentriert sich derzeit auf andere Kategorien.

Um Kunden dennoch ausreichend Auswahl anzubieten, braucht Kaufland deshalb die Unterstützung anderer Markenhersteller. Das ist eine schöne Ironie – gerade einmal zweieinhalb Jahre, nachdem Vorstandschef Patrick Kaudewitz eigentlich eine radikale Bereinigung des Sortiments durchdrücken wollte und dafür zahlreiche Mittelmarken aussortierte.

„Bis zu 25 Prozent der Artikel“ sollten noch 2016 aus den Regalen verschwinden, um den logistischen Aufwand in den Filialen zu begrenzen und Geld zu sparen, schrieb die „Lebensmittel Zeitung“ damals. Den Kunden allerdings schmeckte die Sortimentsstraffung gar nicht. Auch hier im Blog machten viele ihrem Ärger Luft, manche Marken nicht mehr kaufen zu können.

Ein Jahr später knickte Kaufland ein (LZ, Paywall) und holte zumindest einen Teil der verschwundenen Artikel wieder zurück. Offensichtlich hatte sich der Kundenunmut im Umsatz bemerkbar gemacht.

Keine Frage: Das könnte auch dieses Mal passieren. Umso erstaunlicher ist, dass Kaufland die erneute Sortiments-Rochade (diesmal zu Lasten eines einzelnen Herstellers) in den Läden nicht besser erklärt. Noch dazu, weil sich die vermeintliche Einschränkung den Kunden leicht als Vorteil anpreisen ließe. Dafür bräuchte es eine gezielte Kaufumleitung am Regal – und den Mut, konkrete Alternativen zu empfehlen, z.B. mit dem Hinweis:

„Suchen Sie Produkt X? Probieren Sie stattdessen Produkt Y von Hersteller Z aus der Region!“

Oder:

„Suchen Sie Produkt X? Probieren Sie stattdessen Produkt Y zum selben Preis in Bio-Qualität!“

Auf diese Weise würden Kunden bewusst darauf aufmerksam gemacht, bei Kaufland Produkte von Herstellern zu bekommen, für die in anderen Supermärkten kein Platz ist – ohne Qualitätseinbußen in Kauf zu nehmen; Kaufland wiederum würde sich ein Stück weit der Vergleichbarkeit mit den Wettbewerbern und der permanenten Schlacht um den niedrigsten Aktionspreis entziehen können – ohne sein Preis-Image zu gefährden.

Die Realität

Bislang hab ich in den Filialen nichts dergleichen gesehen; vielerorts wird die Auslastung am Regal gar nicht (mehr) kommentiert. Dass sich etwas verändert hat, stellen Kunden erst fest, wenn sie bislang bei Kaufland erworbene Marken nicht mehr finden; oder weil plötzlich zahlreiche „Neu“-Schilder auf Cliff Duschgel und Denim Deo hinweisen. (Ist das in Ihrer Kaufland-Filiale anders? Dann schreiben Sie’s unten in die Kommentare!)

Dass man die Chance, sich als Einkaufsalternative im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu etablieren, verstreichen lässt, könnte entweder Mut- oder Planlosigkeit geschuldet sein.

Oder der Tatsache, dass man in Neckarsulm überhaupt nicht die Absicht hat, sich stärker als bisher vom Wettbewerb abzugrenzen. Und der Unilever-Rauswurf einzig und allein als Mittel gesehen wird, den Verhandlungspartner in die Knie zu zwingen – um letztlich doch die gewünschten Konditionen zu erhalten, die Produkte zurück in die Regale zu holen und den vorübergehenden Ersatz wieder verschwinden zu lassen.

Das ist der am wenigsten vielversprechende Ausgang des Experiments, weil er die Gleichförmigkeit des deutschen Lebensmitteleinzelhandels nicht nur wiederherstellen, sondern vermutlich sogar verstärken dürfte. (Indem große Markenhersteller dadurch endgültig die Nichtaustauschbarkeit ihrer Marken bestätigt sähen.) Aber gleichzeitig auch der realistischste.

Bereits in der Vergangenheit hat Kaufland bewiesen, dass es dem Unternehmen nicht darum geht, sich bei Kunden ein eigenständiges Profil als moderne Alternative zu den klassischen Vollsortimentern zu erarbeiten – sondern einzig und alleine darum, eine Art Lidl XXL zu sein, der sich ein bisschen was von den Strategien der Supermärkte abguckt. Noch besteht die Möglichkeit, das zu ändern.

Das Unilever-Aus bei Kaufland könnte eine große Chance für den deutschen Lebensmittelhandel sein, wieder stärker auf Vielfalt zu setzen; oder bloß ein Intermezzo, auf das die Einzementierng des bisherigen Status Quo folgt.

Korrektur: In der ursprünglichen Version dieses Texts wurden Unox und Bertolli als Unilever-Marken genannt; Bertolli wurde allerdings 2014 verkauft, Unox wird nur noch in den Niederlanden und Belgien verwendet (unilever.nl, Wikipedia).

Fotos: Supermarktblog

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Der Beitrag Warum der Unilever-Rauswurf bei Kaufland eine Chance für den deutschen Lebensmittelhandel ist erschien zuerst auf Supermarktblog.


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